TKKG - Live "Das unheimliche Dorf" (Dortmunder Westfalenhalle, 28.11.2019)

Als der Eingang gegen 18:30 öffnete, war die davor wartende Menschenschlange recht lang. Überraschenderweise aber war ihr Altersdurchschnitt locker bei 35 bis 40 Jahren. Sicher, Kinder und Jugendliche gab es auch einige, doch der überwiegende Anteil der Anwesenden war deutlich älter.

Um etwa 19:20 dann das erste akustische Signal: Es würde wohl bald losgehen - bitte allmählich auf die Plätze begeben und wenn man nochmal auf Toilette muss, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt.

Sehr pünktlich, um 19:30, begann dann das Stück - Michael Lott und Geräuschemacher Peter Sandmann betreten gemeinsam und von Applaus begleitet die Bühne. Lott nimmt in einem Sessel platz und erklärt dann, mit ein paar humorvollen Worten, dass vor 40 Jahren das erste Buch und vor 38 Jahren das erste Hörspiel erschienen sei. Jetzt, endlich, seien sie das erste Mal auf der Bühne zu sehen und vor allem zu hören - und das "TKKG, die Profis in spe"-Theme setzt ein. Nach ein paar Augenblicken fährt Lott fort und stellt nacheinander die nun ebenfalls die Bühne betretenden Protagonisten vor: Sascha Draeger als Tim, Tobias Diakow als Karl, Manou Lubowski als Klößchen und Rhea Harder als Gaby - unter Jubel und Applaus.

Alle vier hocken sich direkt auf vorbereitete Heimtrainer/Fahrrad-ohne-Räder-Hybriden. Klößchen stöhnt - die ewige Radelei macht ihm zu schaffen und er hat Hunger. Und er hat keinen Bock auf Zelten, er will in eine Jugendherberge. Schließlich sei Urlaub. Natürlich irrt er sich. Keine paar Sekunden später ereignet sich ein Badeunfall - und wie das Opfer seine Kopfverletzung erklärt, will Tim so gar nicht einleuchten. Als dann auch noch eine verwirrte alte Dame auftaucht - gespielt von Luise Lunow -, sind TKKG also mittendrin.

Bereits hier wird deutlich: Der Live-Fall "Das unheimliche Dorf" ist ein Hörspiel, keine aufgebohrte Theaternummer mit jeder Menge Kurzeinlagen. Na gut, es gibt zwar eine Leinwand im Bühnenhintergrund, doch diese wird fast ausschließlich zum Darstellen von Formen oder Farben verwendet. Zur Untermalung der gewünschten Stimmung oder der angedeuteten Visualisierung eines aktuellen Sachverhalts. Hervorragend. Was bei Die drei ??? seit der Wecker-Tour immer mehr zum nicht immer ins Ziel treffenden Fanservicespektakel wurde, ist bei TKKG genau das, was es sein soll: Ein Live-Hörspiel.

Wobei, ja, klar, ein paar Gags am Rande gibt es natürlich - wenngleich der Begriff "Gag" sicherlich Auslegungssache ist. So wird von jemandem erwähnt, er kenne bereits andere Jugenddetektive. Aber die seien nicht zu viert, sondern zu dritt und stammten aus Kalifornien... Klößchen kontert, dass die aber gar nicht so jung seien, wie sie täten. Ahh, gut gerettet... Und offensichtliche Momente, wie Klößchen, der nach der Überführung der Täterperson dieser ihr Würstchen aus der Tasche zieht und dann genüßlich verputzt - er habe schließlich soooo einen Hunger. Insgesamt verbleibt der Fokus also fast durchweg beim Fall selbst und die wenigen gelungenen Scherze können die eher platten halbwegs aufwiegen. Als TKKG mitsamt Michael Lott und Luise Lunow urplötzlich mit Requisiten im Takt Geräusche machen, lachen zwar durchaus einige im Saal, aber nicht wenige gucken sich gegenseitig irritiert an, als wollten sie sagen: "Öhm, wie bitte!?"...

Nach ziemlich genau 40 Minuten dann erfolgt die Pause. Michael Lott erklärt noch, sie dauere 20 Minuten. "Viel zu sehr Drei ???, viel zu wenig TKKG" argumentieren mehrere Personen miteinander. "Zuviel Mystery, zu wenig Abenteuer", hört man ebenfalls öfter mal. Und, zugegeben, mir selbst ging es ganz genauso. Dieser Fall könnte tatsächlich eine ???-Story sein. Ein beinahe menschenleeres Dorf, und seine wenigen Einwohner sind dermaßen schrullig, dass es, aus Sicht eines TKKG-Falls, einfach nicht so recht passen will. Fast kontinuierlich passieren seltsame Dinge oder äußern sich Personen übertrieben geheimnisvoll bis übertrieben unheilsschwanger. Man solle die Vorkommnisse besser vergessen und schnell wieder abreisen. Vom roten, unheiligen Auge ist die Rede, von Unglück und so weiter. Und ermittelt wird auch sehr wenig. Bei alledem, was so passiert, sind TKKG so gut wie immer einfach zufällig vor Ort und werden schlicht Zeugen. Sicherlich, die vier, im Besonderen Tim, versuchen, das Erlebte zu entschlüsseln und in einen Zusammenhang zu bringen...

...doch auch nach der Pause bleibt es in diesem Punkt unverändert: Alles, was passiert, passiert eben und TKKG stehen praktisch jedes Mal eher zufällig dabei. Nun gut, das ist man von vielen aktuelleren TKKG-Folgen schon gewohnt, doch dass die Story so wenig Abenteuer, null Internat, viel zuviel Die drei ??? und nur wenig passenden Fan-Service-Humor bietet, das ist es, was nicht so sehr hinhaut. Es hat sich geradezu angeboten, die gängigen TKKG-Klischees mal auf Korn zu nehmen. Tim, der auch mal eine auf die Nase bekommt, Karl, der sich nicht an etwas erinnern kann, Gaby, die sich selbst rettet. Lediglich Manou Lobowski darf in seiner Rolle als Klößchen hier und dort Metabotschaften aussenden - nur leider eben nicht immer zielsicher.

Nachdem dann abschließend der Fall gelöst wurde und auch alle Personen auf der Bühne mit Beifall und Jubel bedacht wurden, ist es ohne Umschweife vorbei. Um etwa 21:15 dimmt das Licht hoch, die Besucher/innen stehen auf und verlassen allmählich den Saal, um sich davor für Autogrammwünsche einzureihen. Auch jetzt, beim Schlendern durch Saal und Halle, sind nicht bloß vereinzelt Stimmen zu hören, dass dieser Fall "sehr wenig TKKG und viel zu sehr Die drei ???" sei. Zuviel Zufall, kaum Ermittlungsarbeit, keine Abenteuerlichkeiten, kein Internatsfeeling. Einig waren sich aber alle, dass die Leistungen des gesamten Ensembles top gewesen ist - gerade für Luise Lunow fielen jede Menge Lobesworte. Sie sei ganz besonders gut gewesen, geradezu hervorragend.

Ich kann mich dieser offenbar größtenteils vorherrschenden Meinungen nur anschließen. "Das unheimliche Dorf", zumindest in Live-Bühnen-Form, macht durchaus einiges richtig: Es ist ein Live-Hörspiel und keine Theater-mit-vorprogrammierten-Spaßmomenten-Nummer, die Kulisse ist gelungen, das Ensemble durch die Bank wunderbar. Und, ja, auch für mich ist Luise Lunow gewissermaßen der heimliche Star gewesen. Sie hat so grandios performt, wow! Die schnodderige Alte oder der berlinernde Dorfschrat... Klasse!

Andererseits, naja, aber der Fall hätte wesentlich TKKG-iger sein müssen. Nach so langer Zeit kommt endlich die erste Live-Tour und dann ist es nur zu 50% TKKG. Das Franchise, die Personen, die Protagonistenrollen, die Stimmung... das stimmt alles. Und die Geschichte ist zwar für sich okay, doch als TKKG-Story einfach nicht so prall. Vor allem in ihrer Eigenschaft als Live-Hörspiel. Zu sehr Mystery, zu sehr auf "Wer ist es gewesen!?" getrimmt. Kurz: Viel zu sehr Die drei ??? und viel zu wenig TKKG. Daheim, als CD oder MC mag das verschmerzbar sein. Doch freut man sich wochenlang auf den Abend, die Eintrittskarte seit Ewigkeiten an der Pinnwand hängend, endlich, die erste Tour, wurde auch mal Zeit, die Stimmung ist toll, das Drumherum gelungen, aber die Story liefert nicht, dann fehlt einfach was...
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